Ein Nachruf zum Tod von Hofrat Mag. Erwin Chvojka
Herausgeber des Werkes von Theodor Kramer
„…das Licht, das um die Körper fließt,
die Gesichter der Menschen,
alle Farben des Abends
und die gleichförmige Gestalt der Buchstaben,
die Botschaft bringen von der Weisheit,
der Liebe und dem Mut der Menschen…“
„Die Welt will ich behalten“. So lautet der Titel eines Gedichts, geschrieben von Erwin Chvojka, welches 1984 vom Europa-Verlag in einem dunkelblauen Gedichtband gleichen Namens veröffentlicht wurde.
Nun ist dieser liebe Mensch und langjährige Freund, kurz vor seinem 90. Geburtstag nach längerer Krankheit, verstorben.
Erwin Chvojka, geboren am 16. Februar 1924 in Wien, studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte, trotz eines siebenjährigen Studienverbots durch das damalige NS-Regime. Die Universität Wien verließ er als Magister der Philosophie und ging ins Lehramt, wurde 1975 Hofrat und Rektor des Bundesgymnasiums in Wien XVI. Nebenbei verfasste er mehrere Schulbücher und zahlreiche Schriften zu literarischen und historischen Themen.
Und er schrieb Gedichte. In seiner freien Zeit, die immer knapp bemessen war, wie der Platz auf seinem Schreibtisch. Dort stapelten sich die Bücher und Schriften, die ihn beschäftigten, bis sie ihren Platz in einem der vielen Regale in seiner Wohnung fanden.
Sein Interesse, seine Aufmerksamkeit galt den Worten, den Sprachen, der Geschichte, sprich: den Menschen. Er war, mit Kramers Worten ausgedrückt, immer auf der Seite derer, „die ohne Stimme sind“. Bis zuletzt.
1957 lernte er den österreichischen Dichter Theodor Kramer kennen, über den er eine Arbeit seines Werkes verfassen wollte. So kam es in Folge zu einer umfangreichen Briefkorrespondenz, wie auch zu persönlichen Kontakten. Kurz vor Kramers Tod (1958) hat dieser ihn als Nachlaßverwalter von insgesamt über 12 000 Gedichten! eingesetzt, die er ihm in acht Originaltransportkisten und einigen Reisekoffern hinterließ. Die Pflege und Verwaltung des Nachlasses, sowie die aufopferungsvolle Arbeit als Herausgeber führte zur Veröffentlichung von mehreren Gedichtbänden, bis zu den „Gesammelten Gedichten in drei Bänden“, wobei insgesamt „nur“ ungefähr 2000 Gedichte Kramers bis heute veröffentlicht sind.
Erwin Chvojka ist es maßgeblich zu verdanken, dass „die Welt“ das große Werk dieses österreichischen Dichters „behalten“ konnte und nicht vergessen hat.
Es ist sein Verdienst, dass auch ich von diesem fast vergessenen Dichter Kenntnis bekam. Ohne ihn wären meine Vertonungen seiner Gedichte nicht zustande gekommen.
Und ich erinnere mich noch so gut und so gerne an die Zeit, die wir zusammen verbringen konnten, als wir z. B. gemeinsam auf die Idee kamen, an Kramers Geburtsort in Niederhollabrunn, einer kleinen 1600-Seelen-Gemeinde nördlich von Wien, dem Dichter zu Ehren ein, heute längst legendäres, Zupfgeigenhansel-Konzert mit Kramer-Vertonungen zu geben. Genauso wie an die Zeit der Recherche, dort, für die spätere LP-Veröffentlichung unseres Kramerportraits 1985 bei der damaligen Plattenfirma EMI, das in der Folge und aufgrund der seit 1979 bereits vertonten Gedichte (Andre, die das Land so sehr nicht liebten: „Die schönste Kramer-Vertonung, die ich kenne.“ Zitat Erwin Chvojka) eine wahre Kramervertonungswelle hier im Lande verursachte.
Oder an die schönen Tage mit den vielen Gesprächen seines längeren Arbeits-Besuches hier, um von hier aus das relativ nahe gelegene Marbacher Literaturarchiv mehrfach zu besuchen und in Bezug auf Kramer zu erforschen. Auch der Abstecher zum Griechenbeisl beim Gegenbesuch in Wien mit den vielen damit verbundenen Stadtgeschichten, die er als Insider, als „Praterkind“, zu erzählen wusste, und, und, und…
Ich werde sie behalten und bewahren, die Geschichten, tief im Herzen und mit großem Dank: als wertvolle Erinnerungen an eine lange Freundschaft.
Und: die Welt wird behalten, was Du für sie getan hast.
Sie ist durch Dich und Deine Arbeit, an so vielen Stellen, ein klein wenig besser geworden.
Lebe wohl, alter Freund.
Schon zweimal haben die Schüler der AG „Jüdischer Friedhof Hausberge“ der Gesamtschule Porta bei den Ausstellungen ihrer Dokumente im Rahmen der „Woche der Brüderlichkeit“ mit ausgewählten Gedichttexten von Theodor Kramer, und dazu abgespielt die Vertonungen von „Zupfgeigenhansel“, das Schicksal jüdischer Familien aus dem Ort Hausberge aufgezeigt: Deportation 1942 nach Riga ohne Rückkehr in die Heimatstadt oder 1939 ins Exil nach Südamerika mit dem Wunsch, schnell wieder in die Heimat nach Hausberge zurückzukehren.
Die Schüler haben registriert, dass die Besucher bei diesem Teil der Ausstellung (Texte von Kramer und Hören der Musik) besonders lange verweilten, teilweise betroffen, zumeist nachdenklich. Und das werden sie bestimmt bei der kommenden Ausstellung im September 2013 (Tag des offenen Denkmals) wieder feststellen, wenn nach den Führungen über den Jüdischen Friedhof Hausberge zur Ausstellung über die AG-Arbeit eingeladen wird. Erwin Chvojka sei Dank.