Alles Bambi? Alles Burda? Alles Helene – oder was?

Parfürmiertes Hase und Igel-Spiel der Eitelkeiten,

oder „Résumé über Kulturindustrie“?

 

Fabrizio D´Angelo, Geschäftsführer von BurdaInternational, mag Sokrates. Er hat Philosophie studiert und meint: „schon Sokrates sagt, dass es der erste Schritt zur Weisheit ist, die eigene Unwissenheit zuzugeben. Deshalb muss man wissen, wo man Wissenslücken hat“.

Und diese soll man dann möglichst schnell schließen. Darum mag er keinen Bullshit, keine Unwissenheit. Denn für ihn hieß Philosophie schon immer, „die Wahrheit zu suchen“.

Nun, hier irrt der Top-Manager, Herrscher über 290 Boulevard-Zeitungen in 17 Ländern, und zeigt Wissenslücken. Denn philosophieren heißt nicht die Wahrheit SUCHEN, sondern sie zu LIEBEN!

Mag sein, dass sich sein Blick schon immer in eine ganz bestimmt Richtung fokussierte, die weniger mit der Liebe zur Wahrheit, dafür mehr mit seiner Zuneigung zum Profit zu tun hat. „Selbst der kluge Hegel“, so bescheinigt ihm der Jet-Set Weise mitleidig, „dachte, er wüsste eine Menge über die Wahrheit, die man ja bekanntlich nie zu hundert Prozent finden könne“.

Hier spricht offensichtlich der klassische Brotgelehrten, der zwar auch irgendwie nach Wahrheit sucht, sie aber schon mal mit Weisheit verwechselt, grundsätzlich aber sich beiden nicht unbedingt verpflichtet fühlt, wenn sie ihm nicht passen. Er sucht einfach seine Wahrheiten, um damit sein pragmatisches Geschäftsmodell zu legitimieren. Für ihn ist schlicht wahr, was ihm nutzt. Das große Ganze, obwohl als global player unterwegs, interessiert ihn nicht. Er ist ja weise. Und so verlegt er „Wahrheit“, keinen Bullshit. Ganz im Sinne seines Herrn und Meisters. Und manchmal scheint sie, die Wahrheit, deshalb nicht nur verlegt, sondern wirklich vergessen oder völlig verloren gegangen zu sein. Für Wachstum muss man halt auch bereit sein Opfer zu bringen.

Ich weiß jedenfalls auch, dass ich nichts weiß. Besonders was den Medienkonzern Burda und seine medialen Verflechtungen betrifft. Die sind jedenfalls gigantisch und kaum zu durchschauen. Schon national. Und ich ahne nichts Gutes.

Burda ist ein Unternehmen für Unternehmer“, heißt es im Geschäftsbericht 2013. „Unser Anspruch ist es mit unseren Medien, den Kunden, Usern und Lesern in ihrem „Pursuit of Happiness“ zu begleiten. Denn wenn es uns gelingt, das Leben der Menschen zu bereichern und zu verbessern, dann sind wir auch auf lange Sicht wirtschaftlich so erfolgreich, wie wir das bisher waren“. Das weiß der Vorstandsvorsitzender Dr. Paul-Bernhard Kallen zu berichten, einst Berater bei McKinsey, einer Unternehmens- und Strategieberatungsfirma aus den USA mit Vertretungen in 52 Ländern, mehrere auch hier zulande.

 „Pursuit of Happiness“? Das habe ich doch schon einmal gehört… ?

Na klar! Steht in der Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776. Und das klingt super!

Aber wie stellt sich das nun Burda, der Medienmulti, überhaupt vor mein Leben begleitend zu verbessern? Brauche ich diesen Begleitschutz überhaupt? Wie kommt der überhaupt dazu, mir, mit einem Abklatsch der Unabhängigkeitserklärung, Verbesserungsvorschläge für mein Leben zu machen? Bin ich hier tatsächlich Subjekt, als Kunde König, oder nur billiges Objekt der Begierde?

Nun, das erkennt man leicht an den realen Produkten, die der Konzern tagtäglich in die Welt setzt. Beim Friseur, beim Arzt, beim Optiker, in Wartezimmern schlechthin, liegt das Zeug rum. Wahrheit kündend in den üblichen „Focus-Bunten-Superillu“ Hoch- und Schmuddel-Glanz-Formaten. Bis auf den Playboy. Das wäre dann doch etwas viel nackte Haut für die Wartezimmer der Republik.

Und immer spielt „Kunst“ und „Kultur“ eine große Rolle. Oder besser gesagt, das, was die jeweiligen Redaktionen dafür halten. Nämlich wie und wo Stars und Promies wohnen, ihr Horoskop, wo und mit wem wie oft sie verkehren, was für Klamotten sie tragen, was sie essen, was nicht etc. Das alles braucht einen Preis. Einen Massenstart der Begehrlichkeiten, der noch mehr davon wecken soll und somit medial mit großer PR-Trommel und riesigem finanziellen Aufwand promotet wird. Ein Tam-Tam der Superlative. Eine große Freude, die mein Leben begleiten soll und verbessert. – Wirklich?

Was wir sehen ist eine Industrie der Selbstdarstellung, die wohl sortiert und ideologisch fein überlegt gigantisch um sich preist. Natürlich immer wieder mit Helene, denn sie füllt die Kassen. Diesmal in Glitzerunterhose. Beide kann man inzwischen schon ob ihrer Allgegenwärtigkeit durch die Glotze förmlich riechen, wie in den Dufttempeln der Fußgängerzonen, die mit ihren eilig produzierten Lockstoffen den fahrenden Zug keinesfalls verpassen und mein Leben ebenso begleitend unbedingt verbessern möchten. Denn man weiß auch dort: Das Geld, welches zum Fenster rausgeschmissen wird, kommt bekanntlich zur Tür wieder rein, wenn man keinen „Bullshit“ macht, wie schon weiter oben vom sophistischen Pseudo-Sokratiker vom Hochross herab kolportiert.

Geld ist das Stichwort. Die eigentliche Triebkraft. Es wird nie erwähnt. Statt dessen ist von „wirtschaftlich erfolgreich“ die Rede, und das ist ja bekanntlich gut. Das wollen wir ja alle sein.

Aber noch geheimnisvoller wird es, wenn man wissen will, was das alles kostet und wer was bezahlt. Darüber herrscht großes Schweigen, privat wie öffentlich-rechtlich.

Wie aber kann ein privater Verleger hier überhaupt öffentlich-rechtlich tätig sein kann? Wie geht das zusammen? Müsste das nicht streng getrennt sein, schon aus dem demokratischen Prinzip der Wahrung der Chancengleichheit? Berichtet man über den Friedenspreis, der jährlich in Stuttgart verliehen wird, mit gleichem Engagement?

Wahrscheinlich greift hier eine ähnliche Gedankenlogik, wie man sie im Zusammenhang mit der Finanzkrise von Banken/Versicherungen etc. und deren späterer Rettung her kennt. „Too big to fail“ hieß es da plötzlich. Sie sind systemisch zu wichtig, um sie alleine zu lassen.

Gleiches gesteht man dem Privatverleger Burda offensichtlich auch zu. Er hat ähnliches Gewicht und kann Forderungen stellen. Die kennt zwar kaum jemand, dennoch lässt sich vermuten, das es politischem Selbstmord gleich kommt, ihm seine begehrliche Hand von Seiten der Politik, mit welchem Parteibuch auch immer gerüstet, auszuschlagen. Wer möchte sich schon mit diversen unangenehmen Peinlichkeiten in all den Wartezimmern kurz vor den nächsten Wahlen wiederfinden, um wie eine räudige Sau quer durch die gesamte Republik getrieben werden?

So sucht die Politik zwangsweise, ganz pragmatisch, die Freundschaft des Konzerns. Weniger öffentlich, dafür um so rechtlicher. Denn es ist ja auch schön, wenn man am gleichen Strick zieht, mit den entsprechend geheim ausgehandelten Verträgen der jeweiligen Rechtsabteilungen im Sack. Eine win-win Situation.

Es geht letztlich also Geld, um sehr viel Geld und darum, wer vom Kuchen wie viel abbekommt. Also um Profit. Und nur darum. Mit dubiosen Spielregeln allerdings. Vor allem, wenn es um die Verteilung geht. Denn die Gewinne bleiben dabei selbstverständlich immer privat, die Kosten werden aber auf die Gemeinschaft abgewälzt, aufgrund des angeblich vorhandenen öffentlichen Interesses. Philosophisch wortreich wird das von höchster Stelle noch gesegnet. Da wird dann gejunkert und gegauckt, gemerkelt, berichtet und dementiert, trickreiche Steuertipps gegeben, dieselben entzogen oder vertuscht, was das Zeug hält. Für Demokratie, Freiheit und Wohlstand, Volk und Vaterland, für das Gute überhaupt. Für das Wahre und nicht für die Ware, versteht sich. Keinen Bullshit also, wie der Philosoph aus Burdas global-player Chefetage sagen würde. Gut gelaunt, makellos und faltenfrei, im Einklang mit sich selbst und dennoch vollkommen befreit von Eigennutz. Mir san mir, eben! Aufgepimt mit Gängigem, mit Hip und Hop, Krücken und Tränen, mit Feigenblatt-Charity und vor allem mit “royalem Glanz“.

 „Pursuit of Happiness“, Unabhängigkeit? Die Aufklärung, wie die französische Revolution, scheinen dabei keine Rolle mehr zu spielen. Man hat sich inzwischen arrangiert, bürgerlich-feudal. Und teilt die Beute. Gerne auch in Zukunft. Die feudale Gier nach ihrem „Pursuit of Happiness“ in der Vergangenheit, ihr Schaffen von erblichem „Eigentum“ durch Sklaverei, Rassismus, finsterstem Imperialismus, Krieg, Mord und Gewalt, das zig Millionen Menschen weltweit nachhaltiges Elend, Zerstörung ihrer Lebensverhältnisse und Tod brachte, wird heute einfach wegparfümiert.

Weg schauen auch gerne all jene, die „am Ball“ bleiben wollen. So findet man leicht Gleichgesinnte und Willige vornehmlich narzisstischer, mitunter aber auch nazistisch Prägung. Ausschlaggebend für solche Karrieren ist allerdings nicht mehr das Können, sondern das Mitmachen wollen. Das Mitproduzieren von scheinbar innovativer Kunst, die sich ausschließlich an Inhalten orientiert, die massenkompatibel und letztlich wieder als Vorbild bepreisbar sind. Kunst verkommt hier zu „Wunst“. Sie verliert ihre Unabhängigkeit wie ihre Ernsthaftigkeit und damit auch die Befähigung wirklich Neues zu kreieren.

Das in echter Kunst eigentlich untrennbar vorhandene rebellische Potential, die Sehnsucht nach einer wirklich besseren Welt, wird auf das Bejubeln herrschender Verhältnisse und deren Vorgaben reduziert. Voller Zynismus verbleibt am Ende ein Verhältnis von sich selbst zu anderen, das dem Verhältnis der Liebe zum Puff gleicht.

Mit dabei die Politik, mehr oder weniger zwangsläufig. Sie müsste eigentlich verhindern, dass aus Bürgern derartige Objekte gemacht und nur billige Rezipienten für die dort erzeugten Waren rekrutiert werden. Diese ist aber, ob einer derart mächtigen Medienkonzentration, erpressbar geworden. Denn sie muss gewählt werden! Burda nicht!

Der Einfluss des Boulevards ist privat eben leichter zu steuern, als durch die mühselig demokratische Prozedur zum Mandat. So steckt man eben, ob man will oder nicht, letztlich unter einer Decke und findet dann auch nichts Falsches mehr dabei, glaubt sogar damit noch Gutes zu tun. Man arrangiert sich halt pragmatisch. Punkt!

Tue Gutes und profitiere davon“, so grüßt Max Weber lässig aus der Tiefe des Raumes und umschreibt sinnstiftend, dass es eigentlich völlig ausreicht, den Nächsten nur am Sonntag zu „lieben“. Den Rest der Woche zahlt es sich besser aus, zu versuchen ihn für seine Zwecke auszubeuten.

Die-draußen-vor-der-Tür-Gebliebenen sind die Geleimten. Sie werden aber trotzdem in die Feierlichkeiten mit eingebunden. Es darf natürlich keiner zurückbleiben im Sog der Suggestionen. Schon wegen der Quote nicht. Sie dürfen den Irrwitz dieser auskalkulierten Massenbespassung nämlich bejubeln und dafür bezahlen. Und später selbstverständlich auch die Produkte kaufen, die ihr Leben angeblich so sehr verbessern sollen. Die fett gefüllten Töpfe der GEZ, für die sie auch schon ihren Zwangs-Obolus entrichten haben, machen es mit möglich.

Kritische Töne gesellschaftlicher Natur etc. sind bei Bambi, Grammy, Oskar und wie all die Nabelshows der Reichen und Schönen sonst noch heißen mögen, nicht en vogue. Eher indésiable. Deren Protagonisten sucht man seit Jahrzehnten deshalb vergeblich. – Bei derart glamouröser Vervielfältigung der Einfalt ist das auch kein Wunder.

Es gibt aber dennoch eine Menge Kunst und Künstler, die ihr Können abseits des speichelleckenden medialen Buckelns betreiben. Sie werden aber aus den oben genannten Gründen selbstverständlich sorgfältig aussortiert, privat wie öffentlich-rechtlich und angesichts der geballten Medienmacht damit kaum wahrnehmbar.

Pursuit of Happiness“? Streben nach eigenem Glück, in dem ich das Glück des anderen stehle oder verhindere? Unabhängigkeit? Die Kritik an Preisverleihungen, Popanz-Events dieser Kategorie, ist nicht neu und von keinem geringeren als dem Philosophen Theodor W. Adorno in seinem RÉSUMÉ ÜBER KULTURINDUSTRIE längst treffend entlarvt.

Wie aktuell seine Betrachtungen von damals heute immer noch sind, beweist der geistige Stillstand des selbstgefälligen onkel- und tantenhaften Spießertums, das Verharren im Bestehenden, was uns nun schon zum 65. Mal medial heimsuchte, mehr als deutlich.

 Aufgepasst ihr Bambi-Philosophen.

Im Philosophie-Magazin erschien kürzlich eine gelungene Zusammenfassung seiner Thesen. Damit könnten selbst bei Burda noch Wissenslücken geschlossen werden, wenn man will.

Wie wohltuend die Freude am Denken und die LIEBE ZUR WAHRHEIT doch sein kann.

 …Mit dem Ausdruck „Kulturindustrie“ bezeichnet Adorno seit der „Dialektik der Aufklärung“ die kommerzielle Massenunterhaltung in Film, Fernsehen und Rundfunk(…). Für Adorno ist die Kulturindustrie – anders als die Kunst – ihrem Wesen nach Teil der durchkommerzialisierten Warenwelt: Einerseits ist ihre Produktion warenförmig, indem sie standardisierte, einfallslose Genres reproduziert: andererseits steht sie in ihrer Wirkung durchweg im Dienst der kapitalistischen Warenwelt, wenn sie Menschen eine kurzlebige Flucht aus dem ökonomischen Zwang erfolgreich vorgaukelt und sie damit in politischer Passivität hält. Ihr Gesamteffekt ist „Anti-Aufklärung“: „Sie verhindert die Bildung autonomer, selbstständiger, bewusst urteilender Individuen. Die aber wären die Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft, die nur in Mündigen sich erhalten und entfalten kann.“

Alles Bambi? Alles Burda? Alles Helene, oder was?

© 2014

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